Warten ist normalerweise eine lästige Notwendigkeit. Es sei denn, man weiß die Zeit sinnvoll zu nutzen. Zum Beispiel indem man andere Leute beobachtet. So geschehen im vergangenen Sommer. Wie
zufällig beobachte ich ein Auto, eines von der Sorte, die eigens dafür hergestellt werden, um aufzufallen. Wahrscheinlich weil es zum Manövrieren auf dem Kundenparkplatz nicht taugt, protzte es
bereits geraume Zeit vor dem Portal des Konsumtempels. In meiner Schadenfreude malte ich mir aus, wie das um Aufmerksamkeit heischende Vehikel recht öffentlichkeitswirksam abgeschleppt wird,
wurde aber aus meinen Träumen geholt, als sich ein ältlicher, scheinbar wohlhabender Herr näherte. Kurz darauf erschien eine junge Frau, deren kurzer Rock die nackten Beine der Witterung
preisgab, während ihren Oberkörper eine wertvolle Nerzjacke wärmte. Irgendwie erinnerte sie mich an einen angriffslustigen Hamster, der sich auf die Hinterbeine gestellt hat. Ich musste
unwillkürlich lachen und genauso unwillkürlich flüsterte ich. „ Warum tut sie das?“ „ Na wegen dem Geld.“, erwiderte meine Begleitung. „Nein, wegen des Geldes.“, schiss ich klug und erntete eine
Kopfnuss. Danach lachten wir herzhaft. Noch Stunden später ging mir die Nerzjacke nicht aus dem Kopf. Am Ende eines kurzen, miesen Lebens schiebt man diesen Tieren einen Elektrostab ins Rektum,
um sie, so „pelzschonend“ wie möglich, zu töten. Vielleicht ist es ja eine Art ausgleichende Gerechtigkeit, dass viele dieser Pelzträgerinnen ihre Körperöffnungen auch hin und wieder nicht ganz
freiwillig zur Verfügung stellen. Und das alles wegen des Geldes. Wer hat sich denn so einen Unsinn ausgedacht? In meiner sonntäglichen Naivität habe ich dazu folgende Theorie entwickelt:
In sechs Tagen schuf Gott die Welt. Am siebten Tage ruhte er und vielleicht feierte er am Abend noch ein wenig. Und vielleicht hatte er am Montagmorgen einen kleinen Kater. Und vielleicht hat er
in einem Anfall von Aberwitz die Welt so eingerichtet, dass ausgerechnet kleine dickbäuchige Männer auf große, schlanke Frauen stehen. Um diesen, im Zorn begangenen Fehler wieder auszubügeln,
schuf er am Dienstag dann das Geld und wahrscheinlich war Herr Luther auf der Wartburg ähnlich verkatert, als er einige Zeit später das Johannesevangelium übersetzte.
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts.
So hat es der Martin übersetzt und war sicherlich auch froh, als er diese Passage hinter sich gebracht hatte.
Nun müssen wir, um der Lösung unseres Problems beizukommen, nichts anderes tun, als diese Übersetzung an die etwas etwas erweiterte Schöpfungsgeschichte anzupassen. Und schon haben wir unsere
Antwort:
Im Anfang war das Geld, und das Geld war bei Gott, und das Geld war Gott. Alles ist durch das Geld geworden und ohne das Geld wurde nichts.
Jetzt endlich begreifen wir, warum sich junge Frauen als zornige Hamster verkleiden oder warum sich die meisten von uns Tag für Tag aus ihrem gemütlichen Bett quälen, um den Wohlstand anderer zu
mehren. Spätestens seit der Einführung der elektronischen Kontenführung dürfte uns allen bewusst sein, dass Geld unendlich darstellbar und an sich wertlos ist. Realistische Werte, wie Grund und
Boden, oder Arbeitskraft sind nur begrenzt vorhanden. So viel zur Theorie. Doch was geschieht in der Realität? Sobald wir etwas verkaufen und dafür Geld erhalten, treten wir als Bittsteller auf
und ertragen, dass uns unser Gegenüber in einem vollkommen imaginären Vorteil demütigt. Ganz egal, ob es sich um unsere Arbeitskraft oder einen Sack Kartoffeln handelt. Warum tun wir das? Warum
wird ein an sich wertloses Zahlungsmittel derart überbewertet. Was würde uns alles Geld der Welt auf einer einsamen Insel nützen? Die Antwort ist recht simpel. Der Wert des Geldes ist rein
suggestiv und besteht nur dann, wenn wir alle darauf vertrauen und daran glauben. Also könnte man, allen monotheistischen Bemühungen zum Trotz, in ihm so etwas wie eine Religion sehen. Natürlich
kann man meine philosophischen Bemühungen auch für ausgemachten Unsinn halten. Aber wer da meint, er sei über jeden Glauben erhaben, der schaffe sein Geld ab, nehme seiner Frau und seiner
Geliebten den Nerzmantel weg und lasse ab von ihren Körperöffnungen.
Schönen Sonntag!